Mitte der 90er Jahre entdeckte ich meine Leidenschaft für die damals bei Heyne veröffentlichten Shadowrun und Battletech Romane. Mich faszinierten diese völlig unterschiedlichen Welten. Die Geschichten und ihre tragischen Helden. Ich wollte selbst als Schamane in Seattle die Barrens unsicher machen oder als erfahrener Mech-Pilot meinen Marodeur steuern.
In dieser Phase lernte ich auch einen meiner ältesten und langjährigen Freunde kennen. Schuld waren unsere Eltern die mitbekommen hatten, das wir beide ja voll auf diese Science-Fiction Bücher standen.
Nun, es blieb nicht bei den Büchern. Erst die Battletech Grundbox, dann noch das Grundregelwerk zu Shadowrun 2.01D und dann noch zumindest für mich Magic the Gathering.
Wir waren jung, wir waren halbstark und wir wollten die Welt erkunden. Nun, zumindest die brutale Welt von Seattle in den 2050ern. Am Spielladen unseres Vertrauens fanden wir ein paar weitere Shadowrun begeisterte um kurz darauf unseren ersten Run in einem Bella Italia Restaurant um die Ecke zu erleben.
Wir hatten keinen richtig festen Spielleiter, wir wechselten uns einfach ab, oder wer dachte ein cooles Szenario gebaut zu haben, übernahm einfach die Verantwortung.
Mit den Jahren kamen neue Systeme hinzu und auf Conventions lernte man die unterschiedlichsten Arten von Meistern kennen. Die Überorganisierten, die Multimedialen, die Kartographen, die Regelenthusiasten, die Verplanten, die Spontanen, die Waffenfetischisten, die Fallenliebhaber, die Erzählbären und von allen auch die Innen.
Unser grosser Vorteil, damals, war – Wir hatten keinen Plan und haben einfach mal gemacht – Der Spass stand im Vordergrund egal wie Banane die Geschichte war und wie an den Haaren herbeigezogen das Setting klang.
Geht man heute in Foren, ok zu Old-School, geht man heute auf Social Media Plattformen und fragt danach was einen guten Spielleiter ausmacht, bekommst Du mehr Antworten als Dir lieb sein wird. Jede diese Antworten wird auch ein Fünkchen Wahrheit aus der Sicht des Antwortenden enthalten, aber garantiert nicht deinen eigenen Gral. Den findest Du tatsächlich nur durch aktives meistern für Dich selber.
Ein guter Spielleiter lässt seine Gruppe am Spieltisch eine spannende Geschichte erleben.
Ein außergewöhnlicher Spielleiter macht sich selbst am Spieltisch überflüssig.
Wenn Du mich am Anfang meiner Rollenspielkariere nach den wichtigsten Eigenschaften eines Spielleiters gefragt hättest, dann hätte ich wahrscheinlich so etwas gesagt wie: „Er bereitet das Abenteuer vor. Er kontrolliert die Geschichte und das die Regeln eingehalten werden und er kennt seine Regelbücher in und auswendig.“
Mit der Zeit veränderten sich diese Ansichten zu: „Ein guter Spielleiter erschafft eine Welt die sich für die Spieler stimmig anfühlt. Das Regelwerk und die Würfel verstehe ich als Anhaltspunkte aber nicht als bindent um eine tolle Geschichte zu erzählen.“
Heute ist meine Definition wesentlich kürzer. Sie lautet einfach nur noch:
Ein außergewöhnlicher Spielleiter macht sich selbst überflüssig.
Aber was heißt das? Sich selbst überflüssig zu machen?
Als guter Spielleiter lasse ich meine Spieler eine tolle Geschichte erleben. Ich wähle das Szenario aus und bemühe mich darum das jeder das gleiche Verständnis für die Regeln hat, oder weis zumindest wo ich nachschlagen muss. In dieser Form des Spiels bleibt der Spielleiter immer ein bisschen Animateur und die Spieler die Konsumenten.
Als außergewöhnlicher Spielleiter bin ich nicht mehr nur noch Fan meiner Geschichte, sondern hauptsächlich Fan von den Charakteren meiner Spieler. Ich ermächtige meine Spieler die Geschichte eigenständig voranzutreiben und nicht nur mehr indirekt zu beeinflussen. Ich erwarte nicht mehr das sie die Regeln kennen, sondern ermächtige sie dazu alle relevanten Regeln selbstständig auf dem Schirm zu haben. Ganz ehrlich, würde ich meine Aufgabe in der Überwachungen von Regeln sehen, dann wäre ich Schiedsrichter beim Fussball geworden und nicht Spielleiter von Erzählspielen.
Ich finde Spielabende an deren Ende die Gruppe zu mir sagt, „Mensch, eigentlich haben wir dich heute so gut wie nicht gebraucht.“ wesentlich mehr befriedigend, als Abende an denen ich meine Geschichte durchgedrückt habe und der Rest am Tisch zwar Spass hatte, aber doch so ein fader Beigeschmack bleibt, weil eigentlich hat man ja nichts beeinflussen können.
Wenn Du Dich selbst überflüssig machst, gibst Du auch immer ein Stück Macht ab. Denn du übergibst die Entscheidung zurück an den Tisch und damit an die Geschichte und die Spieler. Das ist gerade am Anfang seltsam, wenn beide Seiten es gewohnt sind dem „alten“ Prinzip zu gehorchen. Sprich, der Spielleiter sagt an und die Spieler reagieren darauf. Du handelst als Spielleiter in diesem Fall durch das reine Push Prinzip. Du schubst die Charaktere in die Richtung der Geschichte.
Als außergewöhnlicher Spielleiter bist Du Fan der Charaktere und beginnst Dich zu fragen: „Was würde geschehen wenn die Charaktere auf folgendes Ereignis stoßen“ und dann gibst du die Macht ab und die Geschichte und ihre Handlung wird von den Charakteren bestimmt. Jetzt pushen wir nicht mehr sondern der Impuls geht von den Spielern aus. Sie pullen jetzt.
Als Fan der Spieler-Charaktere frage ich mich immer:
„Was würde geschehen wenn…? / … und dann…?
Diese Form des Leiten erfordert etwas Mut, weil die Art wie du als Spielleiter die Geschichte beeinflusst, entsteht nicht mehr durch einen festgelegten und gerailroadeten Handlungsstrang. Alles was passiert, geschieht auf der Basis deiner Neugiert gegenüber der Handlung.
Natürlich funktioniert das aber auch nur, wenn sich der gesamte Spieltisch auf diese Art zu spielen einigt. Wenn sich deine Spieler und Innen eine gerailroadete Kampagne wünschen und lieber konsumieren wollen und Du als Meister darauf auch Bock hast. Dann go 4 it! Auf Gruppendynamik und einzelne Spielertypen gehe ich im nächsten Post ein.
Zusammenfassend:
- Die Art wie du meisterst wird sich mit steigender Erfahrung sehr wahrscheinlich ändern.
- Versuche so oft wie möglich mit unterschiedlichen Gruppen zu spielen – Conventions sind hierfür ideal – um deinen Horizont zu erweitern.
- Wenn Du die Möglichkeit hast bei anderen GMs zu spielen, mach es. Es gibt keinen schnelleren Weg herauszufinden was man selber mag oder nicht.
- Lies, experimentiere und adaptiere – Nimm Ratschläge an wenn du sie willst, aber viel wichtiger ist, das du dir einen eigenen Kopf machst.
- Keine Gruppe und kein Gamemaster ist gleich
- Kein Abenteuer wird sich bei zwei Gruppen identisch spielen. (Probier es aus)
- Werde der größte Fan der Spielercharaktere!
- Frage nicht „Wie schaffe ich das…“ sondern „Was passiert wohl wenn…“
- Mach Dich selbst am Tisch überflüssig.
- Keiner dieser Ratschläge muss für dich funktionieren – Kann aber 😉
Stay curious und bis demnächst
Markus
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